Chancen aus der Krise
Liebe Solawista,
der Februar war extrem hart für Stephie, mich und das Freigarten-Team. Ausschlaggebend war eine unangekündigte Kürzung einer wichtigen Förderung durch den Bayerischen Staat, bei der es für uns um gut 30.000€ geht und aufgrund dessen der Betrieb in Stein jetzt eingestellt werden musste. Diese Förderung ist einfach von heute auf morgen weggefallen und es sieht nicht danach aus, dass die Fördersumme wieder angehoben wird. Der Betrieb der Wirtschaftsgemeinschaft, aus Landwirtschaft in Stein und Handelsbetrieb in Heinersreuth, ist ohne diese Förderung nicht möglich. Es kann deshalb, so leid es mir tut, auch keinen eigenen SoLaWi-Anbau 2025 mehr geben. Die Kürzung der Förderung ist sogar so einschneidend, dass es zur vollständigen Betriebsaufgabe der Landwirtschaft in Stein kommt und alle Mitarbeitenden im Freigarten-Team des Handelsbetriebs entlassen werden mussten.
Für uns war die Nachricht der Kürzung ein schwerer Schock, der erst einmal verarbeitet werden musste. Ich bitte um Entschuldigung und um Verständnis, dass es mir nicht möglich war Euch SoLaWista früher über die Lage zu informieren. Wir waren einfach zu sehr damit beschäftigt die Lage in den Griff zu bekommen und uns um unsere Familie zu kümmern. Im Februar haben Stephie und ich alles gleichzeitig und auf einmal durchgemacht, von drohender Arbeitslosigkeit und Meldung beim Arbeitsamt, über Einleitung eines Insolvenzverfahrens, völligem Verlust der aufgebauten Selbständigkeit und keine Lösung wie das noch zu tilgende Gründungsdarlehen der Freigärtner KG in Höhe von 135.000€ abgelöst werden soll. Zu alledem läuft auch noch eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Projektverantwortlichen die den Aufbau des Hofs in Stein ursprünglich mal begonnen hatten.
Mittlerweile konnten wir uns einigermaßen wieder fangen. Die Entscheidungen die wir treffen mussten, um einen Sanierungsplan für die nächsten 6 Monate zu finden, haben uns Kraft, Tränen und Nerven gekostet. Nachdem die Betriebsaufgabe beider Unternehmen (Landwirtschaft und Handelsbetrieb) wegen Insolvenz im Raum stand, haben Stephie und ich uns nach intensiver Beratung mit Kollegen und Beratern letztlich dazu entschieden nicht alles aufzugeben, sondern stattdessen nur die Landwirtschaft einzustellen und die Betriebsmittel zu liquidieren, um damit den Handelsbetrieb in Heinersreuth halten zu können. Auf diese Weise kann die Insolvenz beider Betriebe verhindert werden und das Geschaffene der letzten 7 Jahre geht nicht vollständig verloren. Gleichzeitig besteht die Chance evtl. 2027 einen SoLaWi-Anbau oder etwas Neues in der Gärtnerei in Heinersreuth wiederzubeleben. Dann zwar anders, als das bisher der Fall war, aber immerhin eine Zukunftsperspektive.
Zur Nachvollziehbarkeit unserer Entscheidung möchte ich euch Folgendes erklären. Der landwirtschaftliche Betrieb in Stein ist nur zu 30% solidarisch finanziert. Seit der Gründung unserer SoLaWi im Freigarten Stein war noch kein einziges Jahresbudget jemals zu 100% gedeckt. Mein Wunsch nach einer solidarischen regionalen Versorgung mit besten Bio-Lebensmitteln, hat mich immer wieder dazu bewogen die fehlende Finanzierung der SoLaWi aus eigenen Mitteln quer zu finanzieren. Dabei habe ich bis jetzt alle eigenen finanziellen Rücklagen investiert und seit Oktober 2023 auch kein eigenes Gehalt mehr für mich aus den Betrieben entnommen. Ich wollte, dass der Traum der SoLaWi weitergehen kann, in der stetigen Hoffnung das Projekt wird sich tragen, wenn irgendwann genügend Menschen teilnehmen. Der Hofaufbau in Stein kostet mehr Geld, als die SoLaWi im Stande ist zu decken. Deshalb war es der Plan, die Landwirtschaft durch das Handelsgewerbe mit der Ökokiste mitzufinanzieren indem Gewinne aus dem Handel in die Landwirtschaft verschoben werden. Da der Handelsbetrieb sich jetzt aber selbst nicht mehr finanzieren konnte rutschten damit gleichzeitig beide Unternehmen in eine wirtschaftliche Notlage. Der einzige übrige Ausweg eine Insolvenz beider Betriebe zu verhindern war es sich von dem Betrieb zu trennen, der am meisten Kosten verursacht. Das war leider die Landwirtschaft.
Bei der gekürzten Förderung handelt es sich um das sogenannten EU-Schulprogramm. Der Handelsbetrieb Freigärtner KG beliefert mittlerweile rund 3000 Portionen pro Lieferung an Gemüse, Obst und Milchprodukte and KiTa’s und Schulkinder von der 1. – 4. Klasse. Bisher konnte fast schulwöchentlich geliefert werden, also bis zu 4-mal (=12.000 Portionen) pro Monat. Diese Lieferungen werden durch den Bayerischen Staat und aus EU-Geldern aus dem Schulfrucht- und Schulmilchprogramm gefördert. Wir hatten die letzten 2 Jahre intensiv daran gearbeitet wirtschaftlich die schwarze Null (Break-Even) zu erreichen. Da das Kundenwachstum der Ökokiste aufgrund der wirtschaftlichen Krise der letzten Jahre (Ukraine-Krieg, Energiekriese, Heizungsdrama, Inflation, Rezession) nicht wie geplant vorankam und auch die SoLaWi-Anteile nur 30% der Betriebskosten in der Landwirtschaft decken, gelang es uns nur mithilfe des EU-Schulprogramms die fehlenden finanziellen Mittel reinzuholen, um den Betrieb der Wirtschaftsgemeinschaft aus Landwirtschaft und Freigärtner KG zu ermöglichen. Wir erfahren immer erst am Ende eines Quartals wie viele Lieferungen im EU-Schulprogramm wir pro Monat für das nächste Quartal liefern dürfen. Zum Jahreswechsel wurden die Lieferungen für das 1. Quartal um die Hälfte gekürzt. Auch die Lieferungen im 2. Quartal wurden um die Hälfte gekürzt. Nachdem wir uns an die zuständige Förderstelle gewendet hatten, wurde uns mitgeteilt, dass wohl keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung stehen und deshalb die Lieferungen gekürzt wurden und auch nicht wieder erhöht werden. Wohlgemerkt ohne vorherige Ankündigung! Deshalb war es nicht möglich die Kürzung der Förderung betriebswirtschaftlich einzuplanen. Ich bin davon ausgegangen, dass die Lieferungen für das gesamte Schuljahr der gleichen Menge wie im Vorjahr entsprechen würden. So fehlt uns jetzt für dieses Jahr ein Umsatz von rund 30.000€, der nicht ohne Weiteres ausgeglichen werden kann.
Auch für Euch SoLaWista ist diese Nachricht heute sicherlich ein Schock, der verarbeitet werden muss. Die Hoffnung stirbt zuletzt! Deshalb vertraue ich darauf, dass wenn eine Türe zu geht, sich woanders wieder eine öffnet....
Stephie und ich hoffen, dass sich zusammen, mit den Menschen aus unserer SoLaWi, mit Euch und dem sich über Jahre gebildeten Netzwerk an Interessierten nun ein „NEUES WEITER“ für eine regionale solidarische Versorgung mit guten Lebensmitteln ergeben wird. Nach dem Schock und dem schmerzlichen Verlust haben wir uns wieder dafür geöffnet das Geschehene jetzt als Chance für den Beginn von etwas Neuem zu sehen und setzten dabei auf Euch und eure Kooperationsbereitschaft.
Wir wollen das gemeinsam Geschaffene als Grundlage nutzen, um im gemeinsamen Gespräch mit Euch ergebnisoffen Chancen aus der Krise zu finden und gemeinsam das „NEUE WEITER“ zu (er-)finden.
Dazu gab es ein erstes „Krisengespräch“ mit dem Orgateam/Vorstand des SoLaWi Bayreuth e.V. der hierzu die Bereitschaft erklärt hat, den Prozess hin zu etwas Neuem unterstützend zu begleiten. Wir sind sehr dankbar für diese Unterstützung, denn Stephie und ich schaffen das zukünftig alleine nicht mehr.
Wie könnte das „NEUE WEITER“ aussehen? Im Raum stehen verschiedene Ideen, die gemeinsam ergänzt, weiterentwickelt oder auch verworfen werden dürfen, wie z.B. einen solidarischen Genossenschaftsladen in Heinersreuth zu gründen, solidarische Selbsterntegärten in Heinersreuth, weitere Kooperationen mit regionalen Akteuren (z.B. Hamsterbacke e.V., Solawi Bayreuth e.V. und weitere).
Als Ausgleich für den Ausfall des SoLaWi-Anbaus 2025 und in der Übergangszeit bis zum „Neuen Weiter“ bitte ich alle interessierten SoLaWista, die Anteile für die Saison 2025/2026 beziehen wollen, für diese Zeit in die Ökokiste zu wechseln. Damit leistet Ihr einen wichtigen Beitrag das Geschaffene zu erhalten und unterstützt Stephie und mich dabei den Lieferbetrieb und den Laden in Heinersreuth weiter aufrechtzuerhalten. Als Vorschlag würden wir Euch die Kisten so regional wie möglich, wie sie aus dem Anbauplan des SoLaWi-Anbaurats geplant wurden für Euch zusammenstellen und diese zu solidarischen Konditionen an Euch weitergeben.
Zum Abschluss sende ich Euch hier eine offene Terminabfrage (bitte diesen Link klicken -> https://nuudel.digitalcourage.de/CjSIiycoRikeIPVd) für ein Treffen im März an dem eigentlich unsere reguläre SoLaWi-Jahresversammlung hätte stattfinden sollen. Damit lade ich Euch alle zum persönlichen ergebnisoffenen Austausch über die neuen Möglichkeiten „Chancen aus der Krise“ ein. Ich hoffe, dass möglichst viele aus unserer SoLaWi teilnehmen werden. Lasst uns gemeinsam neu weitermachen! Ich verlasse mich auf Euch.
Euer Freigärtner Flo
|