Handel im Wandel

1980 prägte der amerikanische Futurologe Alvin Toffler in seinem Buch „The Third Wave“ den Begriff des „Prosumenten“, eine Kombi aus den Worten Produzent und Konsument. Toffler sah einen Wandel in der Wertschöpfungskette: Die übliche Trennung der Bereiche Produktion, Distribution und Konsum löste sich zunehmend auf, der Konsument mischt sich auf unterschiedlichste Weise ein in die Produktionsabläufe und wird somit zum Prosumenten. Ein Beispiel wäre der Besitzer einer Photovoltaik-Anlage: Einerseits speist er überschüssigen Strom ins öffentliche Netz ein, andererseits bezieht er Energie daraus wenn die Erzeugung für den Eigenbedarf nicht ausreicht.

Alvin Toffler, Futurologe

 Ein anderes Beispiel wäre der „Solawista“, der Ernteteiler und die Ernteteilerin im Rahmen einer solidarischen Landwirtschaft. Hier übernehmen der produzierende Betrieb und die Ernteteiler-Gemeinschaft gemeinsam Verantwortung für die erzeugten Lebensmittel und der „Konsument“ gestaltet und beeinflusst die Abläufe und Ergebnisse ganz maßgeblich. In der Einführung zum „Handbuch solidarische Landwirtschaft“ von Nascent (www.nascent-transformativ.de) wird der Ansatz der Solawi im Vergleich zur gängigen sozialen Marktwirtschaft knackig zusammengefasst:

„Momentan prägt insbesondere das profitorientierte und wachstumsbasierte
Wirtschaftssystem unser Denken und Handeln und verursacht multiple Krisen. Das betrifft auch
den Ernährungs- und Landwirtschaftssektor. Doch mit wachsender Dynamik erwächst aus der
Mitte unserer Gesellschaft die Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) als konkreter
Gegenentwurf. Sie stellt einen vielversprechenden Ausgangspunkt dar, um mit dem Imperativ vom
Wachsen-Oder-Weichen zu brechen und einer zukunftsfähigen, gemeinschaftsgetragenen
Wirtschaftsweise den Weg zu ebnen. Solawi widerlegt die gängigen Annahmen, dass die
Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe ausschließlich von Steigerungen der
Produktionsmenge und damit ständigen Betriebsgrößen-Erweiterungen abhängig sei. Denn die
Voraussetzung des Gelingens von Solawi ist exakt das Gegenteil, nämlich: eine bewusste und
gezielte Kapazitätsbegrenzung. Wo Betriebserfolg andernorts meist rein quantitativ bestimmt
wird, sind in Solawis qualitative Aspekt wie hochwertige Lebensmittel, sinnstiftende Teilhabe
und wertschätzende Beziehungen, vordergründig. Durch die gezielte Abnahme-Garantie einer
Verbraucher:innen-Gruppe emanzipieren sich die Betriebe von fragilen Märkten und ihrer Rolle
als passive Preisnehmer.“  (Quelle: Handbuch solidarische Landwirtschaft)

„Die enge Beziehung zu den Mitgliedern ist das A und O einer Solawi.“                            (S. Girmann, Solawi Biotop Oberland)

„Die Mitglieder müssen das Gefühl haben bei Ihrem Gemüse live dabei zu sein.“                 (M. Stumpenhausen, Bioanbau-Berater)

Die eindrucksvolle „Wachstumskurve“ der deutschen Solawis lässt hoffen auf einen tiefgreifenden Wandel in den landwirtschaftlichen Strukturen.  Unterstützt von den überall entstehenden Ernährungsräten, den Regionalwert AGs und zunehmend auch von den Kommunen organisieren sich Landwirte in Kontakt mit Ihren KundInnen neu. Was Sie dann an Logistik und weiteren Dienstleistungen (Lagerung, Verwaltung, Kommunikation, etc.) benötigen, gestalten und organisieren sie nach Bedarf in Absprache selbst. Ehre den ProsumentInnen!

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